Samstag, 6. Juli 2019

Tag-98 Ullånger - Örnsköldsvik

Das Frühstück muss ich mir heute mal wieder selbst machen. Also erstmal zum Supermarkt und frisches Backwerk besorgen. Da gibt's ein noch warmes Riesenbrötchen mit Cranberries - passt, weil ich morgens eh auf süß stehe. Es ist überraschend warm heute morgen und die Sonne steht um halb neun natürlich schon etwas höher. Also gibt's den aufgebrühten Cappuccino auf der Terrasse. Ich habe die Fähre um halb zehn im Blick und Binnenzoll gut in der Zeit. Auf halber Strecke fällt mir das Ladekabel ein: es steckt noch in der gleichnamigen Dose. Ich bin gerade wieder startklar, da ertönt auch schon das Schiffshorn. Also kann ich mir den Weg zum Hafen sparen - schade.
Der Ausbau der Schnellstraße E4 ist gerade fertig geworden. Der Radweg ist auch schon vorbereitet, aber noch nicht asphaltiert. Auf der Hauptstraße gibt's jedoch einen breiten Seitenstreifen, so dass die zwölf Kilometer bis Docksta ganz gut zu fahren sind. 
Unterwegs sehe ich immer wieder die parallel auf dem Wasser fahrende Fähre - es sollte nicht sein.
In Docksta ergänze ich meine Verpflegung für den Tag. Allzuviel brauche ich nicht, denn es wird heute nur eine kurze Etappe. Ich habe eine frühe Ankunft und die Sauna im Hotel vor Augen. Das sollte ganz gut zu dem als regnerisch angekündigten Tag passen. 
Ich habe bereits einige Wanderer gesichtet. Vor dem Supermarkt spreche ich ein Paar an. Wie üblich in englisch. Ihre Antwort hat einen typisch deutschen Akzent: Ute und Mario sind aus Rostock. Mit Kochgeschirr und Zelt sind sie hier zwei Wochen auf dem Wanderweg an der hohen Küste. Der verläuft immer wieder im Zickzack, so dass sich die kurze Luftlinie zwischen der Hochbrücke von gestern und meinem heutigen Ziel erheblich in die Länge zieht. Wichtigstes Gepäckstück für die beiden ist ausreichend Trinkwasser, da die Wasserqualität in der Natur aufgrund geringer Niederschläge nicht die beste ist und sie auch für campen in der Wildnis oder einer Wanderhütte gerüstet sein müssen. Ansonsten sind sie minimalistisch ausgerüstet - wie schaffen die das bloß immer wieder ?? Wir wünschen uns noch einen guten Weg und weiter geht's. 
Der endet für mich schon nach kurzer Strecke an einem Rastplatz, der sich für eine Mittagspause geradezu anbietet. Hier muss man die Gelegenheiten nutzen, die sich gerade bieten. Der Rastplatz liegt direkt am Skuleberget, einem Felsmassiv, ist ein Natutschutzzentrum und Ausgangspunkt für Wander- und Klettertouren. Drinnen wird beschrieben und erklärt, wie der Panzer der letzten Eiszeit (bis zu 3.000 Meter dick), die Landmasse unter Wasser gedrückt hat. Nach der Schmelze ragten hier nur kleine Inseln aus dem Meer. Durch die Entlastung konnte die Landmasse wieder aufsteigen: dieser Hügel von lediglich neun auf stattliche 286 Meter. Und die Hebung geht auch heute noch weiter mit einem knappen Zentimeter pro Jahr. 
Ohne große Umwege geht's hier direkt auf einem steilen Wander-/Kletterpfad nach oben. Die Zeit nehme ich mir! Vorbei an einer Höhle bin ich einer Dreiviertel Stunde oben und habe eine grandiose Aussicht. Vor einer gemütlichen Berghütte mache ich mein Picknick und mich dann auch gleich wieder auf den Rückweg, denn erste Regentropfen machen es ungemütlich. Unten nehme ich im Café noch eine etwas kräftigere Mahlzeit. Die lohnt sich doppelt, weil der Räucherlachs mit warmen Kartoffeln echt lecker ist. Und doppelt, weil's jetzt draußen richtig doll regnet. Da kann ich mich doch gleich noch etwas zurücklehnen und die Augen zufallen lassen ....
Die Weiterfahrt trete ich nach Ende des Regens im Sonnenschein an. Leider geht's jetzt erstmal wieder über die Schnellstraße und ich bin froh, nach etlichen Kilometern wieder auf eine Nebenstraße wechseln zu können.
Nachdem ich neulich einen Harvestor im Einsatz gesehen habe, ist heute ein Raupenpflug zur Bodenbearbeitung nach der Abholzung unterwegs. Wahnsinn, mit welcher Kraft und Technik die hier der Natur zu Leibe rücken.
Es fallen immer wieder mal ein paar Tropfen Regen, die ich jedoch ohne Regenklamotten hinnehme und mich umso mehr auf die Sauna im Hotel freue. Dort angekommen, bin ich zunächst allein und döse und schwitze so vor mich hin. Schließlich kommen noch zwei späte Gäste dazu. Sie sind in Radklamotten unterwegs und haben wohl gerade noch einen Schauer abbekommen. Tom stellt sich entwaffnend offen als blind vor, der mit seinem Begleiter Ciarán mit einem Tandem auf dem Weg von Irland zum Nordkap ist. Damit erfüllt er sich einen Wunsch zu seinem 60. Geburtstag. Nach dem verrückten Iren Jim (crazy old Jim)nun also der blinde Ire Tom Kennedy (TK). Ich erzähle ihm von der Begegnung mit Jim und beschreibe ihn und seine Tour und Tom stellt begeistert fest, dass sie gute Freunde sind. Soooo klein ist die Welt !
Beim gemeinsamen Abendessen mit zwei Bierchen erzählen wir von unseren bisherigen Erlebnissen und tollen Begegnungen. Er ruft zwischendurch noch bei Jim an, um live von unserer Begegnung zu berichten. Währenddessen bereitet Ciarán den Tagesbericht für den Freundeskreis in einer whatsapp-Gruppe mit 125 (!) Mitgliedern vor  ...

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