Donnerstag, 9. Mai 2019

Tag-40 l'amitie-franco-allemand

Was für ein Tag !?
Auf dem Programm stehen knapp 120km mit begrenzten Höhenmetern von Mont de Marsan nach Agen!
Das Frühstück im Hotel ist seinen Preis wert: einschließlich Extras wie frisch gepresster Saft von Apfelsinen und Joghurt. Am Nachbartisch sitzt ein älteres Ehepaar (nicht mehr ganz so mobil) mit seinem Sohn (mein Alter). Sie sind aus B-Flandern und sprechen auch ein wenig deutsch. Sie waren zum Urlaub in Andalusien und sind nun auf dem Rückweg: 4 Tage mit dem Auto, damit's für die Eltern erträglich bleibt !! Wir wünschen uns eine gute Reise und los geht's. Der Start könnte besser nicht sein: eine stillgelegte Bahnstrecke, d.h.  weitgehend eben und zunächst mit Asphalt - da steht die Nadel ständig über 20 km/h. So macht Radfahren Spaß und man kommt voran. Ein grünes Dach spendet Schatten - wenn denn die Sonne scheinen würde, aber immerhin regnet es entgegen der Vorhersage (noch) nicht. Am Ende dieses Abschnittes ziehen dann doch dunklere Wolken auf und die ersten Tropfen nötigen mich zu einer Pause mit Café au lait. Aber der richtige Regen bleibt aus und so drehe ich erstmal ne Runde über den örtlichen Markt: eine Salami mit Feigen, Apfelsine und Tomate, das ist doch schon mal ne gute Grundlage für die heutige Eigenverpflegung. Am Ortsausgang dann wieder eine Stierarena (course Landaise heißt der unblutige Spaß hier).
Die Fortsetzung auf dem Bahndamm ist auf Schotter nicht mehr ganz so entspannend, bis ich schließlich auf die Straße wechsele. Dann kommt ein historisches Kleinod: Labastide-d'Armagnac. Hier ist noch vieles Original: Arkadenbögen, Asphaltstraße Fehlanzeige, nicht mal Pflastersteine auf dem Dorfplatz !! Jederzeit könnten d'Artagnan und seine drei Freunde Athos, Porthos und Aramis um die Ecke kommen!
Bei der Weiterfahrt gibt's dann doch ein paar Tropfen mehr. Zunächst ganz sacht, und so wie die sich steigern, steigere ich mein Tempo, um nach der Steigung im nächsten Dorf unterkriechen zu können. Geschafft - vor einer Bar empfangen mich die Raucher und fragen gleich, ob ich was trinken möchte? Ja, ne Cola wäre jetzt genau richtig! Aber erstmal rein ins trockene. Der kleine Raum ist voll, stellt sich aber nicht als Bar, sondern für die Dorfgemeinschaft raus. An den Wänden jede Menge Pokale von Bouleturnieren. Ich vermute eine Familienfeier. Doch der maire de ville klärt mich auf, dass heute am 8. Mai das Ende des grande guerre II gefeiert wird. Ein Datum, das bei uns nicht ganz unbekannt ist, aber doch nicht die Bedeutung wie hier in Frankreich hat. Er hat Bedenken, ob Cola das richtige Getränk für mich sei und lädt mich zur regionalen Spezialität ein: floc de gascogne. Ein mit Armagnac (eau de vie aus Trester) versetzter Traubensaft und 17 Umdrehungen, in den Ausführungen rose und blanc. Die muss ich natürlich beide probieren. Und das Zeug schmeckt richtig lecker. Mein französisch wird immer besser :-)   Dazu futtere ich salzige Erdnüsse. Die Runde hat sich inzwischen fast aufgelöst, denn es ist bereits Mittag. Ich könnte auch noch was kräftiges gebrauchen. So packe ich die Feigensalami aus und verteile sie in der Runde, darauf noch einen floc: a l'amitie !! Der Regen hat inzwischen nachgelassen und ich kann weiter fahren. Aber nicht ohne eine Flasche gekühlten floc als Gastgeschenk mitzunehmen!
Die Regenjacke schützt zunächst vor den wenigen Tropfen, doch dann wird's heftiger und die Hose muss her. Das ist also der für mittags angekündigte Regen. Der ist heftig und lässt auch fast drei Stunden nicht locker. Noch dazu bin ich im nirgendwo, na toll ! Die vorgeplante Route über Feldwege spare ich mir. Hier gibt's jede Menge Sand mit großen  Kiefernwäldern, da möchte ich mir zusätzlichen Kraftaufwand sparen. Die Klamotten sind dann auch irgendwann durch. Ich bin von innen und außen nass. Merkwürdigerweise kommen mir die zwölf Grad gar nicht kalt vor. Außerdem nehme ich noch eine Aqua-Massage mit: der linke Schuh ist vollgelaufen und das Wasser wird bei jedem Tritt in die Pedale durch die Zehen gedrückt. Endlich komme ich in ein größeres Dorf mit Infrastruktur und ner Bar. Also erstmal nen Café und Klamotten wechseln. Inzwischen hat sich der Regen verzogen und die Sonne macht sich zögerlich breit. Mit einem kleinen Umweg kann ich mir einige Höhenmeter ersparen und eine romantische Nebenstrecke in einem Flusstal nutzen. Schließlich komme ich an den canal lateral de la Garonne. Argen ist schon für Radfahrer ausgeschildert. Der alte Treidelpfad ist noch dazu asphaltiert :-) 
Ganz unerwartet begegne ich schließlich noch einem älteren Pilgerpaar, die in der Nähe von Paris gestartet sind und diese Tour in Saint Jean Pied de Port beenden möchten. Sie haben bereits verschiedene Jakobswege in Spanien bewandert und haben nun den ersten Teil einer ganz großen Tour fast geschafft - buen camino !
Vor Argen führt eine mächtige Kanalbrücke über die Garonne. Die haben für diesen Kanal einiges in Ingenieur- und Bauleistungen investiert ! Meine airbnb-Unterkunft ist gleich um die Ecke. Ich werde herzlich von einem jungen Rentnerpaar aufgenommen und auf ein Bier eingeladen. Für meine nasse Wäsche wird sogar die Waschmaschine angeworfen. Da lade ich doch gerne zu einem floc ein. Auf einer Runde durch die Stadt bekomme ich beim Thailänder noch was warmes und dann wird's auch Zeit fürs Bett.

1 Kommentar:

  1. Great! You reached the sister city of my hometown. There I had my first experiences of the "l'amitie-franco-allemand" when I was a teenager. But enjoy the presence!

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